Bettina Heiniger

Mitglied Kulturkommission

Die Strassen gehören dem Langsamverkehr. Dieser alte Traum von mir wurde während des Lockdowns wahr. Wie habe ich es genossen, mit dem Velo auf der Mittellinie der Strasse zu fahren. Und: Das Virus breitete sich in Regionen mit weniger Luftverschmutzung langsamer aus. Ein Jahr später wünsche ich mir nicht nur Massnahmen, die
Symptome bekämpfen, sondern solche, die Ursachen beim Schopf packen. Grüne Anliegen also!

Sehr traurig war für mich zu erleben, wie mich meine Grossmutter, die in einem Pflegeheim lebt, nach dem Lockdown nicht mehr erkannte. Ich war schockiert über ihren
Abbau in so kurzer Zeit. Durch diese Erfahrung gewann eine Idee an Bedeutung, die ich schon länger mit mir herumtrage. Es geht um andere Wohn- und Lebensformen, die mich interessieren. Ich nenne meine Idee «Vision einer sorgenden Gemeinschaft».

Beflügelt für diese Idee werde ich durch die Beobachtung, dass die Arbeit zunehmend ungerecht verteilt ist. Einige Berufsleute sind stark gefordert, häufig sogar überfordert. Andere stehen ohne Arbeit da. Wie wäre es, wenn es eine Job-Garantie für alle gäbe? Das würde heissen, dass niemand mehr 100 Prozent Erwerbsarbeit leistet, dafür aber Sorge-Zeit zur Verfügung stellt, also Zeit für die Gemeinschaft, die Umwelt, die Natur. So verstehe ich die «sorgende Gemeinschaft»: Für Lohn arbeite ich Teilzeit, daneben bleibt mir Zeit für Betreuung und Hausarbeiten für Menschen, die Unterstützung brauchen.

Ein offenes Ohr schenken
Ich möchte jedoch nicht nur Visionen im Kopf kreieren, sondern konkret etwas tun. Es gibt immer Menschen, die in Not sind. Corona hat schon vielen Menschen viel Leid
zugefügt und fordert sie weiter heraus. Vielleicht haben sie ihren Job verloren, haben Mühe im Homeoffice, leiden unter fehlenden sozialen Kontakten oder mangelnden Zukunftsaussichten. Darum schenke ich Menschen, die wegen den Corona-Massnahmen in Not geraten sind, mein offenes Ohr. Ich habe viel Erfahrung in der Begleitung von Menschen, die krank sind oder Verluste erlebt haben.

Was wurde für Sie wichtig in jüngster Vergangenheit? Was ändern Sie an Ihrer Lebensweise? Welche Ideen wollen Sie verwirklichen? Ich freue mich auf einen Austausch mit Menschen und wünsche mir, dass sich viele konstruktive Ideen umsetzen lassen, damit wir ein freudiges Miteinander nach Corona kreieren können.